Thomas Proksch, Univ.lektor Dipl.-Ing.

Portrait Thomas Proksch
Landschaftsplaner, Büro Land In Sicht

„Zu begrüßen sind Maßnahmen zur Schaffung klimameliorierender Grünbereiche im Wiental als wichtiger Frischluftachse, zur Verbesserung des Angebots öffentlicher Grün- und Freiflächen sowie zur räumlich-funktionalen Aufwertung  des erweiterten Naschmarktbereichs.

©Thomas Proksch

Interview

Wie sehen Sie die aktuellen Entwürfe einer Markthalle am Naschmarkt Parkplatz, aus Ihrer Fachperspektive?

Die an den Naschmarkt anliegenden Bezirke Mariahilf, Wieden und Margareten zeichnen sich einerseits stadtstrukturell durch relevante Defizite hinsichtlich der Versorgung mit öffentlichen Grün- und Freiräumen aus und sind andererseits massiv vom laufenden Klimawandel  und der Ausbildung sommerlicher urban heat islands betroffen.
Der Naschmarkt liegt im Wiental, einer der wichtigsten Durchlüftungsschneisen im Wiener Stadtraum. Bestehenden wie zu schaffenden Grünflächen und Gehölzstrukturen kommt hier eine über lokale Effekte hinausgehende Funktion zur Temperierung der Stadtlandschaft zu.
In diesem Sinn sind alle Maßnahmen zu begrüßenm, im Bereich der aktuellen Parkplatzfläche Grünstrukturen zu etablieren. Dieser Schritt ist durch die Vorgaben im Fachkonzept Grün- und Freiraum zum Stadtentwicklungsplan 2025 zu begründen wie auch durch die akkordierten Ziele zur Klimawandelanpassung. 

Die Überwölbung des Wienflusses stellt hier eine besondere Rahmenbedingung dar, steht aber grundsätzlich – bei entsprechenden Begleitmaßnahmen und Vorkehrungen – einer Grünraumschaffung als Dachgartenlösung  nicht entgegen. 

Der „Parkteil“ der angedachten Neugestaltung ist aus meiner Sicht jedenfalls nicht nur ein richtiger, sondern ein notwendiger Schritt.

Denken Sie, dass die Errichtung einer Markthalle den Naschmarkt stärken kann?

Gemessen an seiner ursprünglichen Bedeutung als „der Markt“ von Wien mit einer Angebotspalette am Lebensmittelsektor, die noch vor 20 Jahren ein Alleinstellungsmerkmal in Wien darstellte, ist der Naschmarkt aufgrund der eingeleiteten bzw. zugelassenen Entwicklungen heute eine kaum mehr schön zu schminkende Marktleiche, die durch die gewachsenen Gastronomiezonen nur bedingt bereichert, sondern wesentlich konkurriert wurde. In diesem Sinn besteht hier eklatanter Handlungsbedarf, um dem Naschmarkt als Markt der Wiener wieder ein geeignetes Profil zu geben. Ob eine daneben gestellte Markthalle auf diese Problem eine geeignete Antwort darstellt, gilt es kritisch zu hinterfragen bzw. darf dies bezweifelt werden, so lange kein schlüssiges Gesamtkonzept für den Naschmarkt vorliegt.

Welche Nutzung dieser großen Fläche wäre Ihrer Ansicht nach die sinnvollste aus sozialer und ökologischer Sicht?

Außer Frage zu stellen ist, dass – unter Berücksichtigung der akkordierten Vorgaben und Ziele der Wiener Stadtplanung am Grün- und Freiraumsektor wie hinsichtlich der gebotenen Klimawandelanpassungsstrategien  – die Schaffung einer attraktiven und intensiv durchgrünten Parkanlage mit vielfältigen Aufenthalts- und Aneignungsnischen  eine geeignete Antwort darstellen kann. 

Ist eine Markthalle die geeignetste und modernste Lösung, das Stadtklima auf dieser Fläche zu kühlen?

Es ist unbestritten, das eine Halle bzw. Flugdachkonstruktion geeignet ist, auch wichtigen Schattenraum im Stadtraum bereit zu stellen. Auch kann eine Hallenkonstruktion durchaus intensiv begrünt werden bzw. ein hochwertiges Gründach erhalten. Gegenüber zu stellen sind dabei allerdings die Optionen, über Gehölzpflanzungen oder etwa Pergolen attraktive beschattete Aufenthaltsflächen mit geringerem technischem Aufwand anzubieten. Die Halle ist eine vergleichsweise aufwändige Maßnahme, um beschattete Flächen zu generieren und erscheint nur dann schlüssig, wenn die Halle am konkreten Ort  besondere Funktionen übernimmt bzw. dafür der Bedarf gut zu begründen ist.

Gibt es andere moderne Lösungen den Platz zu nutzen und zu kühlen?

Zu kühlen ist ein Platz über eine Optimierung des Albedos, also der Lichtreflexion, etwa über helle Oberflächen von Wegbelägen, Möblierungselementen und baulichen Anlagen, die Gewährleistung der im Wiental besonders wichtigen Durchlüftung und insbesondere über einen hohen Grünflächen- und Gehölzanteil in Hinblick auf deren kühlende Verdunstungseffekte während der Sommermonate.   

Kennen Sie aktuelle „good practice“ Beispiele, die hier als Vorbild für eine moderne und klimafreundliche Freiraumgestaltung dienen können?

Als Beispiel können städtische Parkanlagen oder parkähnliche Freiflächen dienen, die auf unterbauten Flächen geschaffen wurden, von denen es zahlreiche in Wien gibt wie etwa den Sigmund-Freud-Park vor der Votivkirche oder weite Teile des Märzparks vor der Stadthalle.