Tatjana Boczy, BA MA

© Tatjana Boczy

Soziologin

Ich glaube, dass die Lösung weder ein eindimensionales Bottom-Up noch ein klassisches Top-Down Vorgehen ist, sondern eine kluge Mischung aus beidem.

Interview

Ich würde Sie bitten sich kurz vorzustellen.

Ich schreibe meine Dissertation am Institut für Soziologie in Wien hauptsächlich zur aktiven Arbeitsmarktpolitik und der lokalen Ausprägung, also lokaler Wohlfahrt in Großbritannien und in Österreich. Fragen, die mich auch noch bewegen sind die Nutzung (öffentlicher) Räume aus soziologischer Sicht, und der Diskurs darum. Welche Akteur_innen sehen welche Nutzung vor? Neben meinen Themengebieten und ökologischen Fragen beschäftige ich mich auch mit politischer Soziologie, Machtfragen und öffentlichen Debatten.

Wie sehen Sie die aktuellen Entwürfe einer Markthalle am Naschmarkt-Parkplatz, aus Ihrer Fachperspektive?

Meine ersten Gedanken waren, vielleicht aus der politischen Soziologie heraus, eine Markthalle ist klar, weil die kann man abschließen und die kann ich auch gut kontrollieren. Da kann ich auch den Zugang ganz gut kontrollieren. Wenn es wirklich eine geschlossene Markthalle wäre. Da wäre es kein konsumfreier, öffentlicher Raum mehr, sondern etwas ganz anderes. Dann, wie es dann zu einem Dach geworden ist, dachte ich mir, da werden sich die Anrainer aufregen, weil sie dann nicht mehr auf den Platz schauen können bzw. die Leute, die unten stehen, können die Gebäude nicht mehr sehen.

An sich finde ich einmal gut, dass etwas passiert. Denn eine Veränderung der derzeitigen Situation – einem Betonparkplatz – kann nur eine Verbesserung sein. Der Platz ist, auch wenn das Wetter heute angenehm ist, sehr heiß und es sollte eine Umgestaltung passieren. Da finde ich auch die Idee eines Daches gut, denn sie ist einmal ein Start und mit etwas muss man anfangen.

Was glauben Sie, welche Umgestaltung könnte die Lebensqualität der WienerInnen verbessern?

Ich sehe auf dem Platz einen Park. Ich bin keine Planerin, aber ich denke, dass man hier durch wenig schon viel verändern kann. Ich glaube, dass durch einen Park an dieser Stelle eine echte Verbesserung für die Wiener_innen erreicht werden kann und dass sich das auch die direkten AnrainerInnen wünschen könnten, die hier herunterschauen. Ich denke auch, dass durch einen solchen Park der Naschmarkt gestärkt werden kann, eben durch etwas das noch nicht da ist, statt den Naschmarkt zu erweitern. Das wäre sozusagen keine direkte ökonomische Stärkung, sondern eine andere Form der Aufwertung.

Wie stehen Sie zum Flohmarkt am Naschmarkt-Parkplatz?

Ich denke der Flohmarkt sollte generell und auch an dem Ort bleiben, an dem er jetzt ist. Denn da ist er bekannt und wird gut angenommen von den Menschen. Daher fände ich eine Umsiedlung schwierig.

Welche NutzerInnengruppe sollte bei einer Umgestaltung besonders beachtet werden?

Viele Gruppen sind bei der Planung zu berücksichtigen. Hier wäre auch interessant Informationen der Anrainer_innen abzufragen. Vielleicht wäre es sinnvoll die Informationen einmal generell zu erfragen. Wie wird der Platz genutzt? Wie würde man den umgestalteten Platz nutzen? Wenn man Kinder hat, wie nutzen die konkret den Raum dort? Oder, verbringt man die Freizeit mit den Kindern woanders? Usw. Anrainer_innen haben natürlich ein Interesse an dem Platz, ebenso wie Nahversorger, Geschäfte und Tourismus. Darunter sind spezielle Gruppen, deren Bedürfnisse wieder anders gelagert sein können: etwa auch ältere Menschen, Personen ohne Zweitwohnsitz oder Kleingarten und Kinder betrifft eine Umgestaltung. Ich denke, dass auch jenen Menschen mit einer Umgestaltung geholfen wird, auch wenn es keine perfekte Planung gibt, die alle Interessen und Bedürfnisse gleichermaßen abdecken kann. Es muss daher überlegt werden welche Interessen und Bedürfnisse priorisiert werden sollen und dazu sollte man auch stehen.

Wie stehen Sie als Soziologin zu dem bisherigen Verfahren des Umgestaltungsprozesses?

Ich glaube, dass es wichtig ist die Sozialwissenschaft in solche Prozesse aktiv mit einzubinden. Der Wunsch einer BürgerInnenbeteiligung ist gut und wichtig, aber oft wird diese nicht zielführend umgesetzt. Man kann beispielsweise eine Befragung machen, aber dann ist es sinnvoll sich von den Menschen gewisse Daten angeben zu lassen um rückschließen zu können, wer die Befragung nutzt. Wenn ich weiß, wer an der Befragung teilgenommen hat, kann ich überlegen wer von der Befragung ausgeschlossen ist oder wen diese nicht erreicht. Diese Menschen muss man anders miteinbeziehen. Man kann beispielsweise eine Vertretung jeder Gruppe aktiv mit in die Planung einbeziehen oder man kann Orte und Versammlungen von Gruppen besuchen, um ihre Interessen herauszufinden. Es ist auch möglich Beobachtungen vor Ort zu machen, denn was Menschen in einer Umfrage schriftlich angeben ist nicht immer das gleiche wie das, was sie dann tatsächlich tun. So kann es gelingen herauszufinden, was an dem Platz derzeit gebraucht wird und was aktuell fehlt. Denn an aller erster Stelle wäre es interessant zu wissen was an diesem Ort aktuell wirklich fehlt bzw. gebraucht wird. Dazu kann man den Platz selbst beobachten und andere Plätze, an denen man sich orientieren will.

Was sagen Sie zu der Kritik, die es aktuell gibt?

Ich glaube, dass man sich zuallererst über die eigenen Prioritäten klar werden sollte. Will man das Mikroklima verbessern? Dann ist das die Priorität. Will man das soziale Gefüge am Naschmarkt verändern? Dann ist das die Priorität. Darüber sollte man sich einmal klar werden. Dann kann man weitere Schritte angehen, weitere Bedürfnisse abfragen oder zur Diskussion stellen und auf gewisse Kompromisse eingehen. Aber allen wird man es nicht recht machen, das funktioniert nicht. Aber ich denke schon, dass man die Interessen vieler abdecken kann. Aktuell erfüllt der Platz vor allem die Funktion eines Parkplatzes und des Flohmarkts. Mich wundert jedenfalls nicht, dass es hier zu Kritik kommt, denn solche Konflikte über öffentlichen Raum treten aktuell vermehrt auf, in Österreich und international. Außerdem gibt es viele Gruppen, die an diesem Platz ein Interesse haben. Ich fände es jedenfalls schade, wenn die aktuelle Kritik verhindert, dass überhaupt etwas passiert. Denn einer Umgestaltung stehe ich positiv gegenüber und denke, dass diese hier wichtig ist. Man muss an dieser Stelle einerseits gewisse Prioritäten haben, an denen man festhält, andererseits man muss die Kritik auch sehen können, die an das Projekt herangetragen wird. Ich glaube, dass die Lösung weder ein eindimensionales Bottom-Up noch ein klassisches Top-Down Vorgehen ist, sondern eine kluge Mischung aus beidem.