Peter Melichar

NPO-Fundraising & Kulturmanagement

„Wieso man nun westlich der Kettenbrücke eine Markthalle errichten möchte, obwohl östlich eine echte Aufwertung (bitte ohne Gastronomie) wirklich vonnöten wäre, erschließt sich mir überhaupt nicht.“

Interview

Ich würde Sie bitten sich kurz vorzustellen und Ihre Beziehung zum Naschmarkt zu beschreiben.

Peter Melichar, 52, selbstständig (NPO-Fundraising & Kulturmanagement), Anrainer seit mehr als 20 Jahren, Flohmarktgänger sowieso & schon weit länger.

Wie stehen Sie zu der Idee der geplanten Markthalle am Naschmarkt Parkplatz?

Die Situation westlich der Kettenbrücke („Flohmarktparkplatz“) kann angesichts der angedrohten Errichtung einer permanenten Markthalle bzw. Dachkonstruktion natürlich nicht unabhängig von Naschmarkt und angrenzendem Bauernmarkt betrachtet werden. Der Naschmarkt ist durch gastronomischen Wildwuchs und gleichgeschaltetes Angebot der Standler leider beinahe unbrauchbar geworden – kaum ein Anrainer kauft mehr dort ein. Wenn man denn schon auf die Schnelle ein exotisches Gewürz, Obst oder Gemüse braucht, dann sucht man einen der wenigen Seitenzugänge, hält quasi die Luft an, meidet nach Möglichkeit die Touristenströme, ignoriert aufdringliche Standler, die versuchen einen mit Falafeln oder Oliven anzufüttern, geht zielstrebig zum betreffenden Stand und entschwindet asap. Auch den Anblick Aperol-Spritz drinkender Gastrokund*innen unter Heizschwammerln versucht man tunlichst zu vermeiden. Bedingt brauchbar blieb lediglich der angrenzende Bauernmarkt zwischen Naschmarkt und Marktamt bzw. Kettenbrücke, wo tapfere Standler auf geflickten Asphaltflächen zwischen Gussbetonelementen und Sperrgittern bemüht sind eine halb authentische Marktsituation erahnbar zu machen. Ausgestaltung und Infrastruktur dieser mE letzten echten Marktfläche am Naschmarkt ist gelinde gesagt erbärmlich. Wieso man nun westlich der Kettenbrücke eine Markthalle errichten möchte, obwohl östlich eine echte(!) Aufwertung (bitte ohne Gastronomie) wirklich vonnöten wäre, erschließt sich mir überhaupt nicht. Auch dort würde jedoch eine permanente Überdachtung für einen nur zweitägigen Marktplatz keinerlei Sinn machen.

Was fehlt dem Naschmarkt Parkplatz aktuell aus Ihrer Sicht?

Natürlich müssen wir dem Klimawandel und städtischen Hitzeinseln begegnen – versiegelte Asphaltflächen ohne Beschattung/Begrünung helfen dabei nicht. Inwiefern die Oberfläche der Tragwerkskonstruktion über dem Wienfluß tatsächlich entsiegelt (=wasserdurchlässig) werden kann oder nicht ist mE eine Frage, die Fachkundige beantworten sollten. Dass es jedoch Oberflächenmaterialien gibt, die weniger Hitze aufnehmen/speichern erscheint mir als sicher. Baumpflanzungen (kleinwüchsig, flachwurzelnd) auf angeschütteten Erdhäufchen, wie sie in diversen Renderings zu sehen waren, finde ich angesichts der Alternativen (Wuchshilfen für (immergrüne) Kletterpflanzen, Pergolen, vertical gardening, etc.) eher einem gewissen „Baumfetischismus“ geschuldet, der pragmatischen Begrünungslösungen, wie sie Städte in aller Welt zunehmend brauchen, mE eher im Wege steht. Bessere Bodenbedingungen für größere Bäume könnte man mE entlang der Linken Wienzeile schaffen, was jedoch am „Parkplatz“ kaum/keinen Schatten brächte. Eine permanente Überdachung finde ich völlig abwegig, die freie Sicht auf die umliegenden Gebäude nehmend (Ensembleschutz?) und die Großzügigkeit einer dort (4., 5. & 6 BZ) wichtigen Freifläche mit Rundumblick unnötig einengend.

Was wäre Ihnen bei einer Umgestaltung des Platzes wichtig?

Obwohl dem Flohmarkt und seiner Bedeutung kein/e eigene/r Frage/Punkt gewidmet ist (warum eigentlich?), muss ich darauf Bezug nehmen. Jegliche Umgestaltung sollte die Existenz, Berechtigung und die Bedürfnislagen des dort schon lange angestammten Flohmarktes berücksichtigen und respektieren. Gerade in Zeiten des überbordenden Konsumismus, geplanter Obsoleszenz, Resourcenverknappung & Klimakrise sind Flohmärkte fast schon eine gesellschaftliche Notwendigkeit, mE.
(Dass der Flohmarkt nur noch bis 13:00 geöffnet haben darf und vom Marktamt derart schlecht gemanagt wird, ist eigentlich ein schlechter Witz. Der schwierigen Müllsituation nach Marktende könnte man mE leicht Herr werden, indem man die Standler verpflichtet ihre Plätze nach Marktende geräumt zu übergeben – das Marktamt patroulliert dort ohnedies permanent, bevor die geschätzten 48er tonnenweise zurückgelassene Konsum- & Kulturgüter zerstören (müssen). Nebstbei: der Flohmarkt könnte doch eigentlich freitags UND samstags stattfinden, warum denn nicht?) Im Zuge einer Gesamtkonzeption könnte man durchaus auch überlegen kulturelle open-air-Bespielungen zu ermöglichen und die dafür benötigte Infrastruktur entsprechend vorzusehen (Standort einer kleinen Bühnensituation, Strom, Wasser, Anschlüsse für Toilettenwagen).Keine neue permamente Gastronomie, keine Vertreibung der 2-3 Mikrogastronomen von ihren angestammten Plätzen (Würstlstand, kl. Bude am Flohmarktareal, etc.)

Keine permanente Überdachungssituation!

Was soll verändert und was soll erhalten bleiben?

Erhalten bleiben soll die Großzügigkeit des öffentlichen Raumes, die freie Sicht, der Blick auf die umliegenden Gebäude, und natürlich alle der ohnedies nur wenigen verbliebenen Gebäude aus dem „Originalbestand“ (OW-Station, Marktamt, Toilettenhaus, etc.). Die Parkplatzfläche sollte mE einer parkähnlichen Situation weichen (adäquate Oberflächengestaltung, vertikale und einige flächige Begrünungen, Sitz- und Verweilmöglichkeiten ohne Konsumzwang), die jedoch auch der Nutzung als Flohmarktareal gerecht werden bzw. bleiben muss. Das ist mE alles andere als einfach, aber sicherlich machbar.