Michael Huey

© Michael Huey

Künstler, Kunsthistoriker, Schreibender

„Wir wollen Park statt Parkplatz und keine neue Markthalle! Ein Konsumfreies, offenes, begrüntes Areal wäre eine enorme Verbesserung der Lebensqualität im Naschmarktraum!“


Interview

Ich würde Sie bitten sich kurz vorzustellen und Ihre Beziehung zum Naschmarkt zu beschreiben.

Ich lebe seit 32 Jahren am Naschmarkt, habe ein großes Interesse an Fragen der historischen Architektur und des Stadtbilds und bin seit vielen Jahren auch dankbar für die schrittweise Verbesserung unserer Lebensqualität hier in Wien. Dennoch betrachte ich die angedachten Pläne für eine neue Markthalle am Naschmarktparkplatz mit großer Sorge. Diese Pläne erscheinen mir in vielerlei Hinsicht problematisch und nicht gut durchdacht. 

Wie stehen Sie zu der Idee der geplanten Markthalle am Naschmarkt Parkplatz?

Die Gegend um den großen Parkplatz ist vom Bundesdenkmalamt als Ensembleschutz-Zone designiert; es ist schwer vorstellbar, wie sich eine neu gebaute Halle in diese denkmalpflegerische Gegebenheit einfügen soll. Sollte die Stadt dennoch in empfindlicher Nähe zu den Otto-Wagner-Häusern an der Wienzeile bzw. zu dessen Kettenbrückengasse-Eingang zur U-Bahn die kolportierte Halle “durchdrücken”, nähme ich, persönlich, das als eine Verhöhnung des Denkmalgesetzes wahr.

Was fehlt dem Naschmarkt Parkplatz aktuell aus Ihrer Sicht?

Hierher, ins Wiental, wird leider durch die momentane Verkehrspolitik immer mehr Straßenverkehr hingeleitet, sodaß die Naschmarkt-Anrainer inzwischen mit einer massiven täglichen Verkehrs- und Lärmlawine konfrontiert sind. Als Gegenpol dazu benötigen wir in den angrenzenden Wohngebieten unbedingt: Freiraum, frische Luft und Sonnenschein. Ganz klar zu sehen in der Corona-Krise war es, woran es in diesem (6.) Bezirk—der mit Parks und Grünflächen leider sehr schlecht aufgestellt ist—fehlt: mangels anderer Alternativen sich im Freien zu bewegen hat sich auf dem Parkplatz jung und alt versammelt, hier wurde—trotz des derzeitigen Zustands des Areals als Asphaltwüste—gespielt und ge-skateboardet und auf und ab gegangen und in der Sonne gesessen. Der Naschmarktparkplatz sollte unbedingt ein großzügiger Park werden!

Die Einwände, daß hier Sträuche und Bäume nicht gepflanzt werden können sind nicht ernstzunehmen: auf jedem Balkon und auf jeder Terrasse gibt es inzwischen Stadtgärten. Unterhalb des Asphalts fließt ja der Wienfluß, eine perfekte Wasserversorgung für einen zukünftigen Park. Mit einem Park kann man auch dem saisonalen Aufhitzungsproblem entgegenwirken. Es mag sein, daß eine offene Halle im Sommer diese Funktion auch erfüllen könnte—in den 9 restlichen Monaten des Jahres wäre sie allerdings ein Unort, schattig und kalt, windverweht und verlassen. Wer sucht im April oder im Oktober Schatten? Ganz im Gegenteil braucht man zu diesen Jahreszeiten in Wien so viel Licht und Wärme wie nur möglich. Wenn der Flohmarkt ein Hindernis zu einem großzügigen Park ist, dann sollte man andenken, ob nicht beispielsweise der leere private Parkplatz vis-à-vis vom asphaltierten Parkplatz nicht angekauft und dafür zur Verfügung gestellt werden könnte. Auch hier darf man nicht vergessen, daß Flohmarkt und Bauernmarkt lediglich für einige Stunden an einem Tag der Woche stattfinden; den Platz nur dafür zu gestalten ist unsinnig.

Was wäre Ihnen bei einer Umgestaltung des Platzes wichtig?

Was in dieser Gegend auf gar keinen Fall notwendig ist, ist mehr Gastronomieangebot!! Wenn der Naschmarkt “aufgewertet” werden soll, dann soll das die Stadt Wien, die ja dazu die Zügel in der Hand hält, tun. Aber nicht mit einer Ausweitung des Konsums und des Problems.

Was soll verändert werden und was soll erhalten bleiben?

Ein weites, offenes Areal mitten in einer Großstadt des 21. Jahrhunderts ist eine seltene Chance für eine enorme Lebensqualitätsverbesserung für alle Bürger. Diese Chance soll nicht “verbaut” werden! Hier könnte sowas wie ein “Central Park” für Wien entstehen. Das ist es, was die Anrainer hier auf jeden Fall dringend brauchten. Ein großer Wurf ist hier gefragt, nicht Klein- oder Konsumdenken!