Maik Novotny, DI

© Katharina Gossow

Architekturjournalist (Der Standard, Falter, u.a.)

Stadtplanung ist nicht PR.“

Interview

Ich würde Sie bitten sich kurz vorzustellen. 

Maik Novotny, Architekturjournalist (Der Standard, Falter, u.a.), wohnhaft in Wien.

Wie sehen Sie die aktuellen Entwürfe einer Markthalle am Naschmarkt Parkplatz, aus Ihrer Fachperspektive?

Sehr problematisch, weil sich hier ein Verständnis von Stadtplanung zeigt, das in keinster Weise sinnvoll und konstruktiv ist, und eigentlich auch gar keine Planung darstellt. Stattdessen wird zuerst ein gewünschtes Ergebnis in Form von Visualisierungen publiziert, und dann überlegt man sich, wie man dieses Ziel erreicht. Es gab keine Studie, ob eine Halle hier sinnvoll ist, ob sie konstruktiv möglich ist, wie sie mit dem sensiblen Stadtbild korrespondiert, und welche klimatischen Auswirkungen sie hat. All dies sollte am Anfang einer Planung stehen, nicht am Ende. Hier wird also sozusagen Planung „im Rückwärtsgang“ verfolgt. Es wurde auch bisher kein wirklich nachvollziehbares Argument für eine solche Halle geliefert. Bereits bestehende Planungen und Ideen (Studie zum Wiental der Stadt Wien, 2014) werden dabei komplett ignoriert.

Hier zeigt sich auch ein rein medial geprägtes Verständnis von Stadtplanung. Denn diese besteht aus längeren Prozessen, die nicht ständig Neuigkeitswert generieren. Die Kommunalpolitik (besonders in Österreich) verlangt aber nach ständigen Gelegenheiten für Pressemeldungen und Fotos. Daher wird die Stadtentwicklung in lauter kleine fotogene Einzelprojekte zerlegt, die dann medial „aufgeblasen“ werden. Die Markthalle ist nicht das erste Symptom dieser fragwürdigen Entwicklung, die Stadtplanung mit PR verwechselt. Zahlreiche andere Städte (Paris, Barcelona, Amsterdam, Berlin) machen vor, wie es besser geht und man trotzdem die Inhalte an die Bevölkerung vermitteln kann.

Ist die Markthalle eine klimafreundliche und moderne Lösung? / Wie schätzen Sie die Klimaverträglichkeit dieser Planung ein?

Das wäre von Fachleuten zu analysieren, und das hätte auch bereits passieren sollen. Eine positive Wirkung aufs Klima einfach nur zu behaupten, ist zu wenig. Eine Asphaltfläche, die mit einem Glasdach überdeckt ist, dürfte eher den gegenteiligen Effekt haben, und die Idee von Photovoltaikpaneelen mag energetisch sinnvoll sein, doch gäbe es dafür zahlreiche andere Flächen in Wien (Dächer in Gewerbegebieten), dafür braucht es keine Halle am Naschmarkt (nebenbei wäre zu diskutieren, ob ein Flugdach überhaupt typologisch als „Halle“ bezeichnet werden kann). Auch die Auswirkungen auf die Kaltluftschneise Wiental wären genauer zu untersuchen.

Wie könnte eine andere Art der Nutzung und Gestaltung des Naschmarkt-Parkplatzes aussehen, welche die Lebensqualität der WienerInnen verbessert?

Obwohl ich eine radikale Reduzierung des Individualverkehrs und insbesondere des ruhenden Verkehrs befürworte, ist der Naschmarkt-Parkplatz als städtischer Raum für mich eine Art „guilty pleasure“. Ich schätze ihn in seinem jetzigen Zustand aufgrund folgender Qualitäten: Er ist einer der wenigen, wenn nicht der einzige öffentliche Raum innerhalb des Gürtels, auf dem einfach mal nichts passiert. In einer Stadt, deren Plätze, Parks und Gehwege von Dutzenden Magistratsabteilungen und den Spuren von Dutzenden halb realisierter Planungen vollmöbliert und vollgestellt sind, empfinde ich das Überqueren dieser leeren Fläche immer als eine Befreiung. Es macht die Fläche auch vielfältig nutzbar, weil man hier praktisch jede temporäre Nutzung realisieren kann. Natürlich ist er eine sommerliche Hitzeinsel, doch das sind andere Plätze auch, und der Hitzeeffekt ist beim Schwarzenbergplatz, Matzleinsdorfer Platz oder Europaplatz gravierender, weil man diese Plätze im städtischen Alltag in hoher Frequenz überqueren muss. Der Naschmarktparkplatz hingegen kann problemlos auch umrundet werden. Eine Begrünung und eine „parkplatzfreie Zone“ würde ich dennoch begrüßen, sofern sie nicht den ganzen Platz übermäßig möbliert und verniedlicht. Es muss nicht jeder Platz “gemütlich“ sein.

Denken, Sie dass die Schaffung einer Markthalle den Naschmarkt stärken kann?

Nein, denn von den Marktstandbetreibern kam bisher nie der Wunsch nach einer Halle, und die sollten es ja am besten wissen. Der Naschmarkt ist aufgrund der Kommerzialisierung und Gastronomisierung ohnehin schon kein richtiger Markt mehr. Die Markthalle dürfte hier mit ihrem angedachten gastronomischen Angebot die Lage eher noch verschlimmern.

Kennen Sie aktuelle „good practice“ Beispiele, die hier als Vorbild für eine moderne und klimafreundliche Freiraumgestaltung dienen können?

Umgestaltung des Seine-Ufers in Paris

Gleisdreieck-Park in Berlin

Cheonggyecheon River, Seoul

Huangpu River Park in Shanghai

Wie stehen Sie als Wiener zu dem aktuellen Entwurf?

Ablehnend.