Linda Scharll, Dipl.-Ing.in

© Linda Scharll

Landschaftsarchitektin

Die Chancen klimagerechter Planung – jetzt nutzen.“

Interview

Ich würde Sie bitten sich kurz vorzustellen. 

Vor etwa 10 Jahren zog ich von Luxemburg nach Wien und habe an der TU Wien mein Architekturstudium aufgenommen. Schon bald entwickelte ich ein starkes Interesse an klimasensibler Landschaftsplanung, erarbeitete 2020 in meiner Diplomarbeit einen klimasensiblen Entwurf des Naschmarkt Parkplatzes und arbeite nun als Landschaftsarchitektin. 

Wie sehen Sie die aktuellen Entwürfe einer Markthalle am Naschmarkt Parkplatz, aus Ihrer Fachperspektive?

Der Nutzungsdruck auf die wenigen Grün- und Freiflächen in der dicht besiedelten Umgebung des Naschmarkt Parkplatzes ist hoch. Der Bau einer Markthalle würde folglich zu einer weiteren Verbauung und Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes führen. 

Zudem ist der Naschmarkt Parkplatz ein Hitzespot und es braucht nachhaltige Maßnahmen, die zur Kühlung des Areals beitragen. Dem kann der Bau einer Halle nur schwer gerecht werden. Es ist darüber hinaus zu befürchten, dass die wichtige übergeordnete Frischluftschneise, die die Frischluft über den Wienfluss in das Stadtzentrum transportiert, von der Markthalle in ihrer Funktion beeinträchtigt wird. 

Ist die Markthalle eine klimafreundliche und moderne Lösung? / Wie schätzen Sie die Klimaverträglichkeit dieser Planung ein?

Die Veränderungen des Klimas, wie etwa der globale Temperaturanstieg und Starkregenereignisse, stellen viele Großstädte vor große Herausforderungen und erfordern einen sensiblen Umgang mit der gebauten Umwelt. Der Bau einer Markthalle führt zur gänzlichen Versiegelung der Fläche und ist in Anbetracht der Klimakrise keine klimafreundliche Lösung. 

Klimasensible Maßnahmen dagegen verbessern nachhaltig das Stadtklima und steuern so gegen die zunehmende Gefahr der Überhitzung, Tropennächte und Überschwemmungen in Städten an. 

Wie könnte eine andere Art der Nutzung und Gestaltung des Naschmarkt-Parkplatzes aussehen, welche die Lebensqualität der WienerInnen verbessert?

Die Umgestaltung des Naschmarkt Parkplatzes bietet die Chance, dem hohen Nutzungsdruck der wenigen Grün- und Freiflächen der Umgebung entgegenzuwirken. Grün- und Freiflächen verbessern das Stadtklima, den Erholungswert, das Sozialleben und die Mobilität der StadtbewohnerInnen. Der öffentliche Raum kann so vielfältig genutzt werden: zum Erholen, Spielen, Beobachten, Treffen, Rückzug, … 

Das Mikroklima der Freiräume kann entscheidend durch Entsiegelung, Vegetation, dynamische Wasserspiele oder etwa die richtige Wahl der Oberflächen verbessert werden.  

Denken, Sie dass die Schaffung einer Markthalle den Naschmarkt stärken kann?

Bei der Idee, eine Markthalle im Anschluss an den Naschmarkt zu errichten, vermisse ich deren Einbettung in ein Gesamtkonzept. 

Ich denke, dass der Naschmarkt durch eine ausgewogene Balance zwischen kommerziell genutzter und freier Fläche gestärkt wird, will heißen zwischen Naschmarkt und dem, zu einer öffentlichen Grün- und Freifläche umgestalteten Naschmarkt Parkplatz. 

Kennen Sie aktuelle „good practice“ Beispiele, die hier als Vorbild für eine moderne und klimafreundliche Freiraumgestaltung dienen können?

Auf dem Freiberger Platz in Dresden, entstand 2014 aus einem vormaligen Parkplatz ein Quartierspark. Die Parkplatznutzung wurde reduziert und viel Grün sorgt seitdem für eine hohe Aufenthaltsqualität. Maßnahmen zur Verbesserung des Kleinklimas standen bei der Umsetzung im Fokus. Durch den Rückbau von versiegelter Fläche konnte Vegetations- und Retentionsraum für Regenwasser geschaffen werden. Zusätzlich konnte das städtische Kanalisationssystem entlastet und das Stadtklima durch den Verdunstungseffekt verbessert werden. (Verfasser: May Landschaftsarchitekten, Dresden) 

Wie stehen Sie als Wienerin zu dem aktuellen Entwurf?

Ich hätte mir gewünscht, dass der Naschmarkt Parkplatz zu einer konsumfreien, öffentlichen und begrünten Freifläche umgestaltet wird, die zur Verbesserung der Lebensqualität aller BewohnerInnen beiträgt: ein Ort der Ruhe, als Gegenstück zur lärmenden und hektischen Umgebung.