Hermann Knoflacher, Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn.

Techniker und Verkehrsplaner, Professor für Planungsfragen an Universitäten im In- und Ausland; gestaltet seit Jahrzehnten durch Aufträge der Stadt Wien den öffentlichen Raum.

Nur gemeinsam kann man die beste Lösung finden.

Interview

Ich würde Sie bitten sich kurz vorzustellen.

Ich bin der Hermann Knoflacher und bin mit Planungsfragen in Wien seit 1963 beschäftigt. Ich habe von der Stadt Wien viele Jahre die Gelegenheit bekommen mit zu gestalten. Fußgängerzonen, das Radwegekonzept, die Parkraumbewirtschaftung, die Bevorzugung des öffentlichen Verkehrs, Gestaltungsfragen, und so weiter.

Ich kenne ja viele Weltstädte aber Wien ist immer noch die tollste Stadt, unter anderem durch die Kultur, die hier geboten wird. Ich würde mich natürlich freuen, wenn Wien noch schöner wird. 

Ich habe selbst 12 Jahre am Margaretenplatz gewohnt und kenne die Gegend daher sehr gut. Am Naschmarkt habe ich oft, bis heute, eingekauft, der liegt ja auf dem Weg zur Technik. 

Wie sehen Sie die aktuellen Entwürfe einer Markthalle am Naschmarkt-Parkplatz, aus Ihrer Fachperspektive?

Aus fachlicher Sicht ist es ein Entwurf und Sie haben Ihre Position und es gibt sicher noch weitere Vorschläge. Das kenne ich aus meiner Praxis. Viele meiner Planungen sind nicht schlechter, sondern besser geworden, dadurch dass wir auf die Bürger gehört haben. Das ist das eine, das zweite ist: Wer bezahlt das? Das bezahlen natürlich die Bürger. Ich glaube das sollte man immer im Bewusstsein haben.

Das zahlen nicht nur die Menschen aus den anliegenden Bezirken, sondern alle in Österreich, denn es ist Steuergeld, das hier verwendet wird. Aber natürlich ist die Bevölkerung im 5. und 6. Bezirk die Nächstliegende, sie trifft es ja unmittelbar. 

Ich habe viele Politiker beraten und sie können sich nicht irgendetwas wünschen was der Bürger nicht will. In einer repräsentativen Demokratie kommt dies leider oft vor und die Bürger sind von den Wahlen alle vier bis fünf Jahre abgesehen, eine Randerscheinung. Das sollte nicht sein. Ich plane seit 50 Jahren mit Menschen und weiß daher, dass jede Veränderung Widerstände erzeugt aus denen man nur lernen kann, um es besser zu machen. Das heißt, da soll man gemeinsam die beste Lösung suchen und nicht: Ich habe eine Position, ein anderer hat eine andere und es gibt immer noch einen Dritten, der auch eine Position dazu hat. 

Warum jetzt eine Markthalle? Ich bedaure sehr, dass viele Markthallen in Wien verschwunden sind. Die Markthalle bei Wien Mitte beispielsweise war super und jetzt ist da eine Shopping Gegend. 

Im 9. Bezirk, wo ich lange gelebt habe gab es auch eine Markthalle, wo jetzt ein Supermarkt drinnen ist. Es ist das Geld, das den lokalen Markt einfach verdrängt.

Kann eine Markthalle das Stadtklima verbessern oder gibt es hier bessere Alternativen?

Der Wienfluss fließt unter der Fläche, aber der Baubestand wäre meiner Ansicht nach nicht dadurch behindert, weil ich nehme an, sie werden sich ja keine Mammutbäume vorstellen. Man muss sich einmal anschauen wie es mit der Tragfähigkeit ausschaut. Denn ich kenne ja auch Bäume auf Häusern, in Japan haben sie sogar Bäume auf Hochhäusern und wegen der Stürme haben sie sie festgezurrt. Es gibt viele begrünte Kunstbauten. 

Eine Markthalle hat eine große Fläche, die abstrahlt. Sie macht unten Schatten aber das ist nicht genug und auf den Bildern hat das noch sehr transparent ausgeschaut. Wenn die Sonne durchscheint, wird es auch warm darunter.

Also wie eine Markthalle das Klima kühlt, das müssen Sie mir erklären. Wie soll ein Kunstbau, der aus lauter naturfremden Stoffen besteht, etwas kühlen. Denn wenn ich auf der einen Seite kühle, muss ich auf der anderen Seite die Wärme abführen. Das muss ich als Gesamtsystem sehen. Als ich seinerzeit in New York war tropfte mir immer etwas oben auf den Kopf. Das waren die Klimaanlagen, die die Häuser gekühlt und die Feuchtigkeit entzogen haben. Aber draußen wurde es dadurch noch wärmer. Ein Baum kühlt, also würde ich auf jeden Fall Bäume auf den Platz bringen. Die müssten dann mit einem Bewässerungssystem versehen werden, weil ein Baum ja eine Menge an Flüssigkeit transpiriert und dadurch das Kleinklima verbessert. Bäume sind sozusagen unsere Klimapartner.

Kann eine Markthalle den Naschmarkt stärken oder gibt es bessere Alternativen um dieses Ziel zu erreichen?

Das ist schwierig. Ich kenne den Naschmarkt seit 1960. Früher war es ein Markt der österreichischen Lokale und Geschäfte. Auf den Naschmarkt ist man für viele kleine Sachen gegangen und wenn man größere Mengen gebraucht hat konnte man in der unmittelbaren Umgebung in die Lagerräume der Händler gehen um mehr einzukaufen. So war der Naschmarkt früher noch viel stärker in seine Umgebung eingebunden. Das ist heute nicht mehr der Fall, weil ja auch keine Waren mehr gelagert werden. 

Ich habe gelesen, dass noch kein unabhängiger Gutachter heranzogen wurde, falls man welche findet.. 

Widerstände gegen Projekte zeigen, dass man noch nicht die richtige Lösung gefunden hat. Zum Beispiel im 1. Bezirk haben wir uns bemüht die schönen Plätze autofrei zu machen. Ich habe diesen Vorschlag gemacht und konnte nachweisen, dass die Autos mehr Platz blockieren als sie an Kaufkraft durch die Fußgängerzone hereinbringen. Die Wirtschaftskammer war zunächst nicht dafür. Dann haben wir gemeinsam mit der Wirtschaftskammer die Geschichte untersucht und es hat sich herausgestellt, es wäre ein Nachteil für sie wenn die Plätze mit Autos blockiert sind. 

Wenn ich mir den Teil des Naschmarkts anschaue, über den wir reden, dann denke ich: Die Parkplätze müssen weg. Das ist gar keine Frage. Ich hoffe, dafür gibt es eine gemeinsame Basis der bekannten Positionen. Man muss schauen, was man besser machen kann um Fehler zu vermeiden, die unerwünschte Folgen haben. 

Die Fläche die hier zur Verfügung steht, ist natürlich durch die U-Bahn Station stark aufgewertet und daher als Beuteobjekt für „Investoren“ sehr begehrt weil man aus den öffentlichen Investitionen, also Steuergeldern hunderte Millionen private Gewinne „abschöpfen“ kann, wenn die Stadtverwaltung das „verschläft“, wie an anderen Orten. Damit muss man immer vorsichtig sein. Es ist immer die Frage: Where the money goes?

Wie kann man durch eine Umgestaltung die Lebensqualität der AnrainerInnen und Wienerinnen verbessern?

Da müssen wir verschiedene Möglichkeiten einmal auf den Tisch legen, die realistisch sind. Nicht irgendwelche Traumgeschichten. Vom Klima her wird eine Art von Begrünung wichtig, gar keine Frage. Wenn man Dächer begrünen kann, dann kann man auch diese Flächen begrünen. Ich kenne viele Märkte in der Welt, die unter Bäumen stattfinden. 

Gibt es good-practise Beispiele?, die bei dieser Umgestaltung als Vorbild dienen können?

Ja, natürlich gibt es die. Aber das erste und wichtigste ist einmal die Gegebenheiten vor Ort zu prüfen. Auf der rechten Seite (in Flussrichtung) ist ja auch nicht so viel Platz, da ist die U-Bahn gleich daneben. Da sind innovative Lösungen gefragt. Und solche gibt es. Beim Naschmarkt kommen neben Form und Gestaltung noch die Bedürfnisse der Bewohner dazu. Gute Politik ist eben solche, die darauf eingeht. Sie redet mit den Bewohnern und entwickelt mit den Bewohnern Vorschläge.

Wie stehen Sie als Wiener zu dieser Planung?

Ich sehe das als Beginn eines Prozessen an deren Ende eine gute Lösung stehen kann.. Ich halte nur den Platz für gefährlich, weil viel Geld am Platz liegt. Es ist aber wichtig, dass die Bürger endlich einmal wieder die Stadt für sich erobern und sie nicht den Investoren und dem Auto überlassen. An der U-Bahn Station liegt eben viel Kapitel und die Frage ist ob die Stadt und die Bewohnerinnen eine gute langfristige Lösung finden, die besser ist als irgendwelche Computerbilder und technische Illusionen. Also ich sehe die Möglichkeit für eine gemeinsame Vorgangsweise: Parkplätze weg, ich sehe ein weites Feld an verschiedenen Möglichkeiten, wie man das gestaltet und die Chancen für den 4.,5. und 6. Bezirk etwas Gutes zu machen, sind noch da. Wenn ein Fehler passiert, dann nicht mehr. Wenn es stimmt, was gesagt wurde, dass hier Naherholung stattfinden soll, dann ist das ökologisch nicht schlecht. Jede Naherholung verringert lange Wege mit dem Auto in andere Erholungsgebiete. 

Wie haben eine Untersuchung mit der Wiener Zukunftskonferenz gemacht, dass die Bezirke in Wien, die wenig Grün haben, einen wesentlich höheren Aufwand für ihre Freizeitaktivitäten aufwenden. Sie müssen dafür wesentlich weiter fahren. 

Bevor man sich in einen Vorschlag verbeißt, ist zuerst eine solide Erhebung zu machen. Mal schauen, wie es insgesamt ausschaut und dann offen über die ganze Geschichte reden und gescheite Leute einladen die versuchen das optimale aus dieser Sache zu machen, wobei man aufpassen muss bei vielen Interessen, die auch immer im Hintergrund lauern. Um die Stadt für ihre privaten Gewinne zu nutzen.

Herr Knoflacher, da Sie sich immer viel mit dem Platzverbrauch von Autos in der Stadt beschäftigt haben, wie stehen Sie zu dem Erhalt bzw. der Abschaffung der Parkplätze? 

Na weg, aus! Ich habe schon 1985 in meinem Buch „Katalysatoren für Nichtmotorisierte“ wissenschaftliche Grundlalgen für die autofreie Stadt veröffentlicht. Der aktuelle Verkehr ist das Ergebnis unbedachten Handelns. Das sind die Irrtümer des letzten Jahrhunderts. Wir haben eine 10.000 Jahre lange Erfahrung mit autofreien Städten und in den letzte 50 Jahren haben wir unsere Städte mit dem Auto zerstört. Man braucht keine Wissenschaft zu betreiben und zu sehen, dass das eine Fehlentwicklung war. Dass bei jeder Wohnung Autoabstellplätze gemacht werden müssen, war ein genialer Streich des damaligen Reichskanzlers und Führers, die man bedenkenlos in die heutigen Verordnungen übernommen hat und mehr Städte zerstören als der Weltkrieg. Das war natürlich keine städtebauliche Lösung, sondern Hitler wollte mit dieser Garagenordnung mit die UDA in der Motorisierung überholen. Das wird vergessen und der Paragraf ist nach wie vor in den Bau- und Garagenordnungen, Parkplätze sind am Rand der Stadt unterzubringen. Wer sein Auto in der Stadt haben will, muss den echten Preis zahlen. Der Marktwert der Fläche das Abstellen eines Fahrzeuges in öffentlichen Raum liegt in dieser Gegend bei 300 -500 Euro im Monat. Das ist die Subvention, die wir für das Auto leisten. 

Was sagen Sie dann zu dem Argument, dass sich das manche leisten können und andere nicht?

Das ist vordergründig ein Problem, nicht aber wenn man es genauer durchdenkt. Diese Subvention der nahezu kostenlosen Abstellplätze zahlen alle, vor allem auch jene, die kein Auto haben. Es wird immer Menschen geben, die sich Dinge leisten können, die anderen zu teuer sind und heute bekommen sie das noch dazu. Diese Abgabe ist dann für die Revitalisierung der durch das Auto zerstörten kleinen Geschäft, für den Umbau der Straßenräume und für viel Verbesserungen einzusetzen, die auch dem sozialen Ausgleich dienen können, die heut nicht finanzierbar erscheinen. Das ist das eine. Das andere ist, dass manche Abgase produzieren, Platz wegnehmen und die Verkehrssicherheit reduzieren und in Wien die Betroffenen schon lägst die schweigende Mehrheit bilden. Wir müssen wieder eine Kultur des Zusammenlebens auf die Beine stellen statt einer Kultur des Wegschauens. Das gefällt mir bei Ihnen, dass Sie sagen wir gehen und schauen nicht weg sondern versuchen etwas zu machen. 

Und gehen Sie immer noch auf dem Naschmarkt einkaufen?

Ja, gar keine Frage!