© Gerald Hofer
Experte für Bauwerksbegrünung und Teil des Innovationslabors GRÜNSTATTGRAU
„Wenn man eine „Markthalle“ bauen will, dann muss diese zukunftsfähig sein, das Mikroklima positiv beeinflussen und somit die Lebensqualität langfristig erhöhen.„
Interview
Ich würde Sie bitten sich kurz vorzustellen
DI Gerald Hofer – Experte für Bauwerksbegrünung und Teil des Innovationslabors GRÜNSTATTGRAU – dieses ist die ganzheitliche Kompetenzstelle für Bauwerksbegrünung: sie gibt Impulse und vernetzt Menschen, innovative Produkte und Projekte, liefert Know How sowie Analysen für die Praxis und begleitet urbane partizipative Strategien bis zur Umsetzung. https://gruenstattgrau.at/
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Meine Fachbereiche im Unternehmen:
Kulturtechnik und Wasserwirtschaft, Regenwassermanagement, Dach- und Fassadenbegrünung, Urban Gardening, Urban Greening, Forschung, (Erst)Beratung, Vorträge, IT und Technik
Zusätzliche Info:
Mitaufbau und ehemaliger Leiter des BOKU Gemeinschaftsgartens
Wie sehen Sie die aktuellen Entwürfe einer Markthalle am Naschmarkt-Parkplatz, aus Ihrer Fachperspektive?
Positiv hervorzuheben ist, dass zum einen die Parkplätze deutlich reduziert werden und zum anderen von der vollversiegelten Fläche 2/3 entsiegelt und somit versickerungsoffen gestaltet werden. Auf dem restlichen 1/3 ist eine überdachte Konstruktion geplant, wie diese genau aussieht ist mir nicht bekannt. Aber wenn es sich um eine aktuell übliche Glas/Stahl Konstruktion handelt, trägt diese wohl kaum zur notwendigen Hitzereduktion und somit zur Steigerung der Aufenthaltsqualität in dem stark verbauten Bereich bei. Den darunterliegenden Wienfluss könnte man auch in die Planung miteinbeziehen; die vorhandene Überbrückungssituation ist sicherlich statisch gesehen eine besondere, nichtsdestotrotz wohl bewältigbare Herausforderung. Wenn man eine „Markthalle“ bauen will, dann muss diese aber zukunftsfähig sein, also mehr Energie produzieren als verbrauchen, der Umgebung erhöhte Lebensqualität bieten und das Mikroklima positiv beeinflussen. Das ist im Prinzip auch schon die Antwort auf die nächste Frage.
Ist die Markthalle eine klimafreundliche und moderne Lösung? / Wie schätzen Sie die Klimaverträglichkeit dieser Planung ein?
Mögliche Varianten gibt es viele, ich persönlich würde mich über eine Kombination der verfügbaren Lösungen freuen, wie z.B. versickerungsoffene Bodenbeläge, Nutzung des Schwammstadtprinzips, begrünte Wände und Dächer, sowie beschattende Pergolen. Wenn Teile des Marktes mit Glas überdacht werden, können diese als semitransparente PV Module ausgeführt und mit der darunterliegenden Begrünung kombiniert werden (auch auf der Fassade möglich), eine Schaffung von Urbanen Gärten und konsumfreien Bereichen wären auf dem Dach denkbar und wünschenswert. Zudem könnte auch eine Überdachung oder Halle aus nachwachsendem, heimischen Holz zum Einsatz kommen. Für die Einschätzung der Klimaverträglichkeit sollte am besten das Gebäude samt Umgebung mikroklimatisch modelliert und simuliert werden, somit können Optimierungen noch während der Planungsphase durchgeführt werden.
Wie könnte eine andere Art der Nutzung und Gestaltung des Naschmarkt-Parkplatzes aussehen, welche die Lebensqualität der WienerInnen verbessert?
Wie weiter oben beschrieben, beherbergt der jetzige Parkplatz enormes Potential um die Stadt lebenswerter zu machen, von der Schaffung von konsumfreien Aufenthaltsbereichen über Gärten mit Wasserflächen bis hin zur Energie erzeugenden Gebäudehülle ist alles möglich und sollte gut auf die Bedürfnisse, Wünsche und örtlichen Rahmenbedingungen abgestimmt werden.
Denken Sie, dass die Schaffung einer Markthalle den Naschmarkt stärken kann?
Im Vergleich zu der jetzigen Situation, kann ein multifunktionaler, überdachter Raum, den Naschmarkt stärken und die Umgebung verbessern – dieser Raum muss aber auf sozialer, architektonischer und mikroklimatischer Ebene optimiert sein und so Platz für das Leben in der Zukunft und die nächsten Generationen schaffen.
Kennen Sie aktuelle „good practice“ Beispiele, die hier als Vorbild für eine moderne und klimafreundliche Freiraumgestaltung dienen können?
Es gibt zahlreiche Forschungs- und Umsetzungsprojekte die jeweils die einzelnen Komponenten und Erfahrungen bieten, gerne kann jeder sich selbst in der GRÜNSTATTGRAU Datenbank inspirieren lassen und für sich die besten Projekte und Bestandteile heraussuchen https://gruenstattgrau.at/datenbank/?type=projekt
Wie stehen Sie als Wiener zu dem aktuellen Entwurf?
Da ich in Tirol, umgeben von Grün aufgewachsen bin, aber die meiste Zeit meines Lebens in Wien verbracht habe, kenne ich die Stadt und das Land und würde mich freuen wenn die endgültige Variante das Beste aus beiden Welten vereint. Die jetzige Visualisierung (Stand 2020) lässt natürlich noch viel Spielraum zu und birgt noch ein großes Optimierungspotential, wenn man alle Rahmenbedingungen berücksichtigt.