© Erwin Frohmann
Landschaftsarchitekt, Biologe
Stellvertretender Institutsleiter des Instituts für Landschaftsarchitektur, Department für Raum, Landschaft und Infrastruktur, Universität für Bodenkultur Wien
„Aus fachlicher Sicht der Landschaftsarchitektur braucht es daher eine übergeordnete wie auch ortsbezogene Auseinandersetzung mit dem „Gesamtraum Naschmarkt“ in seiner urbanen Einbettung und freiraumplanerischen Vernetzung.“
Interview
Ich würde Sie bitten sich kurz vorzustellen
Nach selbständiger Tätigkeit als Landschaftsplaner und Landschaftsarchitekt von 1986 -1992 in Graz ab 1993 an der Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Landschaftsarchitektur tätig. Die fachliche Ausrichtung fokussiert sich in Lehre und Forschung auf die Themen Freiraumgestaltung, Gestalt-und Raumwirkung, Raumwahrnehmung, Ästhetik und Raumatmosphäre, gesundheitsfördernde Wirkung von Landschaft.
Wie sehen Sie die aktuellen Entwürfe einer Markthalle am Naschmarkt-Parkplatz, aus Ihrer Fachperspektive und wie stehen Sie zu einer Umgestaltung des Naschmarkt-Parkplatzes? Auf welche ökologischen und sozialen Punkte ist bei einer Planung zu achten?
Die Idee eine Markthalle am Naschmarkt-Parkplatz zu errichten ist eine architektonische Möglichkeit mit dem Ort umzugehen und eine mögliche Gestaltungsvariante um das Marktgeschehens zu beherbergen. Aber bezogen auf die zunehmende und persönlich erfahrbare Überhitzung unserer Städte (Urban Heat Islands), zusammen mit dem grundsätzlichen Bedarf nach mehr Freiraum, geht es darum achtsam mit unbebauten städtischen Räumen umzugehen. Denn Freiräume sind wesentliche Träger einer urbanen Lebendigkeit und damit Grundlage für unser Wohlbefinden in der Stadt. Im Sinne einer ökologischen, gestalterischen, sozialen und auch ökonomischen Aufwertung der Stadt gilt es daher den städtischen Freiraum für Mensch, Pflanze und Tier zu erweitern und entsprechend zu entwickeln. Jede Form von Bebauung verbraucht Freiraum und bedingt große technische Herausforderungen, um einen klimaverträglichen Ausgleich zu erzeugen. Gerade dem dichtverbauten 6. Bezirk würde es gut tun entsprechend den bestehenden Freiraum zu belassen, ihn aufzuwerten und nach Möglichkeit das Freiraumsystem und -angebot in Summe zu erweitern.
Der Naschmarkt Parkplatz bietet dafür eine Chance die Lebensqualität im Stadtraum in Summe und speziell im 6. Bezirk zu erhöhen. In seiner historische Entwicklung war dieser Ort als Freiraum mit fixen und temporären Ständen ausgestattet und bis 1960 in Betrieb, um danach mit rund 12.000 m2 zum Autoparkplatz mit temporärer Flohmarktnutzung zu werden. (https://www.wienschauen.at/halle-oder-park-fuer-den-naschmarkt/ 1.7.2021). Ich denke die Zeit der autogerechten Stadt sollte zunehmend ausklingen und den Freiraum in unmittelbarer Nutzung den Menschen zurückgegeben werden. Der „Naschmarkt Park“ bietet dafür eine umfassende Chance den entsprechenden urbanen Freiraum entlang des Naschmarktes im Kontext der „Wienzeilen Architektur“ innerhalb eines historisch gewachsenen und bedeutsamen Stadtteils von Wien zu sehen.
Aus fachlicher Sicht der Landschaftsarchitektur braucht es daher eine übergeordnete wie auch ortsbezogene Auseinandersetzung mit dem „Gesamtraum Naschmarkt“ in seiner urbanen Einbettung und freiraumplanerischen Vernetzung. Eine entsprechende Voruntersuchung bezüglich der Potenziale einer gesamten Aufwertung des Freiraumsystems mit dem zentralen „Naschmarkt Park“ ermöglicht einen entsprechenden Impuls für den Ort selbst wie auch für den Stadtteil. Mit einer darauf folgenden parkartigen Gestaltung des aktuellen Autoparkplatzes besteht die Möglichkeit verschiedene Nutzungspotenziale wie z.B. Flanieren und Erholen in der Stadt mit einer temporären Marktnutzung zu verbinden. Damit ist es möglich die urbane Lebendigkeit im Freiraum zu unterstützen und ein entsprechendes Pendant zur umgebenden Architektur auszubilden. Zudem kann der Wienfluss planerisch-gestalterisch aufgegriffen werden, um ihn wieder stärker in das Stadtbewusstsein einzubringen. Auch wenn der Wienfluss unterhalb fließt und damit die Ressourcen für die Ausgestaltung mit Pflanzen herausfordert ist, ist es möglich entsprechende qualitätsvolle und vegetationsbestimmte Freiräume zu entwickeln. Beginnend von einem entsprechenden Wassermanagement bis hin zu den entsprechend möglichen Substraten für den Vegetationsaufbau auf Überdachungen. Internationale und nationale Beispiele zeigen auf wie dies gelingen kann.
Als sehr bekanntes Beispiel ist hier die „Promenade Plantée“ in Paris zu nennen. Ein Freiraum der bereits ab 1980 mit einer Länge von 4,7 Kilometer in Umsetzung ging. Nahezu die Hälfte der vegetationsbestimmten und mit Wasserelementen begleiteten Pflanzen verläuft als Promenade oberhalb des Straßenraums am Viadukt des Arts der ehemaligen Eisenbahnstrecke. (https://www.parismalanders.com/die-promenade-plantee-couleeverte-in-paris/1.7.21)
So wurde dieses Projekt auch zum Vorbild für den mittlerweile weltweit bekannten „High Line Park“ in New York. Mit seiner Fertigstellung im Jahre 2014 befindet sich dieser Park ebenfalls auf einer erhöhten, stillgelegten Bahntrasse. Der Freiraum wurde mittlerweile zu einem wichtigen Identitätsträger für die Stadt und zeichnet sich als grüne Oase mit vielfältiger Vegetation und einem tollen Blick auf den Stadtteil Manhattan, und den Hudson River aus. Zusätzlicher Ausstellungsraum für Kunstwerke beleben den High Line Park. (https://www.newyorkcity.de/high-line-park-in-new-york/1.7.21) Als drittes Beispiel möchte ich mit Wien die „Schwimmenden Gärten“ an der Kaiserbadschleuse am Donaukanal anführen. Auch hier ist es gelungen auf einem 1.500 m2, großteils überplatteten Flussraum, einen qualitätsvollen und mittlerweile stark frequentierten kompakten Freiraum umzusetzen. „Die ehemalige, denkmalgeschützte Kaiserbadschleuse am Donaukanal wurde erschlossen und begrünt. Die neue kostenlose „Chill-Area“ verstärkt die Kühlluft-Schneise am Donaukanal. Sie sorgt bei sommerlichen Hitzeperioden für ein angenehmeres Stadtklima (…). Stauden- und Gräserpflanzungen wechseln sich bei den Schwimmenden Gärten mit Großsträuchern und Bäumen ab. Dazwischen gibt es vielfältige Sitz- und Liegemöglichkeiten.“ (Stadt Wien Umweltschutz: https://www.wien.gv.at/umwelt/gewaesser/donaukanal/ schwimmende-gaerten.html, 1.7.21).
Zusammenfassend zeigt sich, dass die Umsetzung des derzeitigen Naschmarkt Parkplatzes in einen qualitätsvollen Freiraum mit Ausrichtung auf die Entwicklung ökologischer, gestalterischer, sozialer wie auch ökonomisch relevanter Freiraumqualitäten den empfohlenen Maßnahmen des „Urban Heat Islands (UHI) – Strategieplan Wien“ mit den dort aufgezählten Möglichkeiten zu Reduktion städtischer Hitzeinseln entspricht. (https://www.wien.gv.at/umweltschutz/raum/uhi-strategieplan.html). In diesem Sinne kann mit dem Beispiel „Naschmarkt Park“, gepaart mit der Hinwendung zum Freiraum, den klimarelevanten und nachhaltig ausgerichteten Empfehlungen der Stadt Wien gefolgt werden, um die genannten Planungsziele im Stadtraum zu realisieren.