Dr. Christian Witt-Dörring

Kunsthistoriker, Mitglied des Denkmalbeirats

„Ich möchte einen offenen Grünraum, der Teil eines gestalterischen Gesamtkonzepts ist. Park statt Parkplatz und keine neue Markthalle! Ein Konsumfreies, offenes, begrüntes Areal wäre eine enorme Verbesserung der Lebensqualität im Naschmarktraum!“

© Christian Witt-Dörring

Interview

Ich würde Sie bitten sich kurz vorzustellen und Ihre Beziehung zum Naschmarkt zu beschreiben.

Ich lebe seit 69 Jahren am Naschmarkt und habe den Wandel der Gegend zwischen Kettenbrückengasse und Magdalenenstrasse vom Großmarkt bis zum Flohmarkt, Parkplatz und Bauhof sowie dem Durchstechen der Linken Wienzeile nach dem Haus Linke Wienzeile 70 miterlebt. Viel positives wie zum Beispiel die Designierung als Schutzzone sowie die kulturelle Anknüpfung an die Innenstadt ist in dieser Zeit geschehen. Zu den negativen Veränderungen zählt das jedes Jahr wachsende Verkehrsaufkommen. Nach der Begegnungszone in der Mariahilferstrasse und der Verkehrsberuhigung der Gumpendorferstrasse hat sich der Durchzugsverkehr auf die Linke Wienzeile konzentriert. Dies wird vor allem bei der enormen Frequenz von Einsatzfahrzeugen mit Sirene und Blaulicht in oft unerträglichem Ausmaß deutlich. Absolut notwendig wäre endlich ein Gesamtkonzept für den Bereich der Linken Wienzeile bis zum Gürtel. Unbefriedigend ist zum Beispiel die Abschottung des Grünwaldparks mittels einer Plakatwand und einer davor liegenden Hundezone. Warum kann man die Baumallee nicht nach der Einmündung der Magdalenenstrasse in die Linke Wienzeile entlang des Wienflusses fortsetzen? Der dort existierende Gehsteig ist kaum frequentiert.

Wie stehen Sie zu der Idee der geplanten Markthalle am Naschmarkt Parkplatz?

Ich stehe dieser Idee ablehnend gegenüber. Ärgerlich ist in diesem Zusammenhang die Argumentation der Stadt Wien, dass der Bau einer Markthalle zur Verminderung der Klimaerwärmung dienen soll. Eine großzügige Grünfläche mit Baumbewuchs würde dies ökologisch sinnvoller bewirken.

Was fehlt dem Naschmarkt Parkplatz aktuell aus Ihrer Sicht?

Die sich im Lauf der letzten 50 Jahre eingeschlichene Bestimmung als Parkplatz scheint nicht Ausdruck eines bewussten Entscheidungsprozesses, sondern das Resultat mangelnder Fantasie in Bezug auf Stadtplanung zu sein. Der „Naschmarkt Parkplatz“ wurde ab den 1960er Jahren zur unreflektierten Abstellfläche, wenn immer opportun. Mit dem Ende des 1. Weltkriegs kam die von Otto Wagner geplante Prachtstrasse entlang des Wienflusses zum Erliegen und ist heute nur mehr anhand der sehr qualitätsvollen Bauten entlang der Linken Wienzeile nachvollziehbar. Dieses Rumpfprojekt ist heute Teil einer Schutzzone und bedarf nicht nur des denkmalpflegerischen Schutzes sondern auch einer adäquaten stadtplanerischen Einbettung. In diesem Zusammenhang verstehe ich nicht, wie nach der Aussage von Dipl. Ing. Franz Kobermaier, dem Leiter der Abteilung für Stadtgestaltung im Wiener Rathaus, die Errichtung einer offenen Markthalle, dem Anspruch der Gegend gerecht werden soll. 

Was wäre Ihnen bei einer Umgestaltung des Platzes wichtig?

Bitte keinen weiteren Fleckerlteppich sondern ein Gesamtkonzept für einen großzügigen in den Stadtraum integrierten Grünraum, der mit der Gegend räumlich kommuniziert.

Was soll verändert werden und was soll erhalten bleiben?

Statt der Asphaltfläche soll ein Freiraum entstehen, der dem jetzigen Charakter einer Durchfahrtsgegend einen Ruhepol in ästhetischer sowie gesundheitlicher Hinsicht entgegensetzt. Wichtig ist die Erhaltung des Freiraumes, der in der ansonsten stark verdichteten Gegend zum verweilen einlädt.