Bruno Domany, Dipl.-Ing.

© Bruno Domany

ehemaliger Leiter des Referates „Grünräume, Erholung, Umwelt“ im Rahmen der Magistratsabteilung 18 – Stadtplanung der Stadt Wien, dann Leiter der Koordinationsstelle Donaubereich Wien.

„Ein 2. Stadtpark, der den „Genius loci“ nutzt: ein „Wasserpark“, der auch das herrlich kühle Gewölbe einbezieht und den Zugang zur Wien eröffnet“

Interview

Wie sehen Sie die aktuellen Entwürfe einer Markthalle am Naschmarkt Parkplatz, aus Ihrer Fachperspektive?

Wie sehen Sie die aktuellen Entwürfe einer Markthalle am Naschmarkt Parkplatz, aus Ihrer Fachperspektive?
Meines Erachtens hätte zuerst die Frage gestellt werden müssen: Ist eine 5000 m2 große, etwa 7 m hohe Markthalle – oder auch nur ein begrüntes oder mit Photovoltaikelementen bestücktes Dach – auf einer der letzten großen strategischen Landreserven im dichtest bebauten Stadtgebiet raum- bzw. umweltverträglich? Sie verstellt doch die für einen Flussraum typische Weite, Offenheit, Maßstäblichkeit.

Quelle: Stadt Wien – ViennaGIS. Bearbeitung: Bruno Domany

Aber es ist ein großer Verdienst der neuen Planungsstadträtin, die Groteske der jetzigen Nutzung aufzuzeigen und so eine Diskussion anzustoßen: Welche Nutzungen befriedigen am besten die Bedürfnisse der WienerInnen und der Bevölkerung der angrenzenden Bezirke, dienen dem Tourismus, sind dem besonderen Standort „Wiental“ gerecht, integrieren den „vergrabenen“ 2.- größten Fluss Wiens am besten?

Seit Jahrzehnten kennen wir den eklatanten Frei- und Grünraumfehlbestand in diesem Stadtgebiet; ablesbar ist das in den folgenden Darstellungen der MA 22:

Öffentlich zugängliche Grünflächen in Wien- Erreichbarkeit:

https://www.wien.gv.at/umweltschutz/umweltgut/pdf/alle-fuss.pdf


Freiraumkennwerte der Stadt Wien – Gesamtergebnis für Wien:

https://www.wien.gv.at/kontakte/ma22/studien/pdf/ergebnisse-gesamt.pdf

Wann, wenn nicht jetzt und hier, wird der „Stadtteilpark“ errichtet für die etwa 80 000 Menschen im 1/4 Stunden-Einzugsbereich? Er ist im Stadtentwicklungsplan 2025 erneut festgeschrieben! Und die erforderliche Fläche ist nicht Privateigentum, sondern in der Verfügungsgewalt der Stadt Wien, sozusagen „öffentliches Gut“!

Ist die Markthalle eine klimafreundliche und moderne Lösung? / Wie schätzen Sie die Klimaverträglichkeit dieser Planung ein?


Eine mikro- oder mesoklimatische Untersuchung ist mir nicht bekannt. Aber: „Wiental = bedeutend für das Stadtklima“ ist Allgemeinwissen (siehe die Kaltluftkarte von Wien). Auch, dass Behinderungen von Luftströmungen höchst problematisch und daher zu berücksichtigen sind. Wer erzeugt Kühle in der Natur? Verdunstendes Wasser und Vegetation. Gründächer sind wichtig, aber eine Krücke, Photovoltaik-Paneele oder -Folien produzieren keine Feuchtigkeit. Für großkronige Bäume gibt es genug Wurzelraum in den beidseitigen Kämpferbereichen des Wienflussgewölbes! (Siehe dazu den Plan des Einwölbungsprofiles für den Wienfluß auf Seite 143 der „Umweltgeschichte des Wienflusses“). Und unter der Asphaltfläche fließt die Wien! Nutzen wir diese Potentiale!

Kaltluftkarte von Wien:

www.weatherpark.com/stadtklimaanalyse-wien/


VERSCHMUTZT – VERBAUT – VERGESSEN: Eine Umweltgeschichte des Wienflusses von 1780 bis
1910“; Gudrun Pollack (2013):

https://www.aau.at/wp-content/uploads/2016/11/working-paper-138-web.pdf

Wie könnte eine andere Art der Nutzung und Gestaltung des Naschmarkt-Parkplatzes aussehen, welche die Lebensqualität der WienerInnen verbessert?


Ich will den bewährten Ideenreichtum von (Landschafts-)Architektinnen, unseren StadtgärtnerInnen und „Kunst im Öffentlichen Raum“ nicht einschränken. Aber das „Raumprogramm“ sollte jedenfalls enthalten:

  • Keine Autos an der Oberfläche! (Es gab schon vor Jahren ein Projekt für eine Garage unter dem Naschmarkt, wurde aber von „den Grünen“ – leider erfolgreich – beeinsprucht).
  • Ein 2. Stadtpark, der den „Genius loci“ nutzt: ein „Wasserpark“, der auch das herrlich kühle Gewölbe einbezieht und den Zugang zur Wien eröffnet – endlich, nach jahrzehntelangen gemeinsamen Planungen von Universitäten, LandschaftsarchitektInnen, DenkmalpflegerInnen und Fachleuten des Magistrats. 1907 wurde am Ende der 2 km langen Einwölbungsstrecke von Arch. Friedrich Ohmann ein Portal samt Promenaden im Stadtpark geschaffen; international bekannt, von Touristen gerne besucht. Verwirklichen wir doch nach mehr als 100 Jahren so ein interessantes Kleinod auch am Beginn dieser Strecke in der Sprache und mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts! Nicht einfach einen „Dachgarten über der Wien“, sondern eine Interaktion zwischen dem Oben und Unten des
    Wientals, punktuelle oder abschnittsweise Öffnungen des Gewölbes, eine Zwischenebene für konsumfreien Aufenthalt, Flohmarkt und auch Gastronomie mit Blick auf die Wien, mit viel Vegetation, die an den Wänden von unten nach oben und von der Gewölbedecke nach unten reicht, Wasservorhänge!


>> In diesem „Stadtpark“ sind „Verfügungsflächen“ eingestreut, in Größe und Gestaltung verschieden, die im Wochenrhythmus unterschiedlich „bespielt“ werden: am Samstag stellen die FlohmarkthändlerInnen ihre Waren aus, unter der Woche sind sie Spiel- und Aufenthaltsflächen für Jung und Alt. Überdacht, berankt – Pergolen, auch mit Photovoltaikfolien, vielleicht auch wegbegleitend miteinander verbunden, aber kein zusammenhängendes, dominant in Erscheinung tretendes Bauwerk, sondern den großen Bäumen an den Rändern untergeordnet – ähnlich wie bei den Bouquinisten in Paris.

Denken Sie dass, die Schaffung einer Markthalle den Naschmarkt stärken kann?

Da bin ich fachlich nicht kompetent; dem Konsumenten fällt auf, dass der Anteil an Gastronomie zulasten des übrigen Sortiments zunimmt; viele Lieferfahrzeuge braten in der Sonne, Vegetation ist Mangelware. Ob „ein neues Haus bauen“ die einzig mögliche Option ist?
Also: Reden wir darüber!