Barbara Brandstätter, DI.in

© Haroun Moalla

Landschaftsarchitektin, Univ. Lektorin und Margaretnerin

“Einfach Durchatmen am Freien Naschmarkt.”

Interview

Wie sehen Sie die aktuellen Entwürfe einer Markthalle am Naschmarkt Parkplatz, aus Ihrer Fachperspektive?

Der Naschmarkt-Parkplatz ist im Stadtgefüge durch seine räumliche Weite, den großen Himmelsausschnitt, seine Blicktiefen und den gründerzeitlichen baulichen Rahmen ein ganz spezieller Ort mitten in Wien, der lange nicht hinterfragt oder berührt wurde, weil die Leere Qualität hat. Sein immenses Potenzial als Handlungsfeld und Aufenthaltsraum, aber auch als verbindender Ort zwischen den Bezirken wird mit zunehmender Bevölkerungsdichte und Temperatur dringlich und muss jetzt gehoben werden. 
Der Bereich erfüllt zahlreiche Funktionen, die vordergründig nicht sofort erkennbar sind: Frischluftkorridor, Licht- und Luftraum für die AnrainerInnen und ‚Dachkonstruktion‘ für den Wienfluss genau darunter. 
Eine rein bauliche Intervention geht in keiner Weise auf die Spezifika und Bedürfnisse des Ortes ein und läuft darüber hinaus Gefahr, eine Allerweltsituation zu erzeugen. 

Denken Sie, dass die Errichtung einer Markthalle die Infrastruktur am Naschmarkt stärken kann?

Anstatt eines konsum- und tourismusorientierten Ansatzes muss einer Mehrfachnutzung des derzeitigen Parkplatzareals der Vorzug gegeben werden, die ganz klar urbane Grüninseln und lokale Baumpflanzungen zur Hitzereduktion mitdenkt und inkludiert. Temporäre Märkte (Bauernmarkt, Flohmarkt) sowie Kleinveranstaltungen müssen integrativer Teil des Konzepts werden, in Kombination mit schattenspendenden kühlenden Maßnahmen (randliche Baumpflanzungen, begrünte Dachkonstruktionen, Sonnensegel, helle Materialien) jedoch nachhaltig und in menschlichem Maßstab geplant.

Wie bewerten Sie den bisherigen Entwurf als gestalterischer Sicht und fügt dieser sich in das besondere umliegende Ensemble ein?

Die Errichtung einer baulichen Hülle/Markthalle an diesem Platz erachte ich als ein Zuviel an Eingriff in die Alltagskultur der WienerInnen und das städtebaulich besondere Ensemble an der Kettenbrücke – und als ein Zuwenig im Umgang mit den Herausforderungen und Ansprüchen an eine klimasensible und sozial gerechte Stadtgestaltung.

Wie kann es Ihrer Meinung nach gelingen die Lebensqualität der WienerInnen und AnrainerInnen durch die Gestaltung des Platzes zu verbessern? 

Die neue Stadtlandschaft als Erweiterung des bestehenden Naschmarkts kann durch eine großzügige Zonierung in offene und stärker begrünte Bereiche gegliedert werden, ohne die gängige Formensprache des klassischen Parks zu bedienen. Begrünung, dort wo es möglich ist (in Randbereichen mit Erdanschluss, Schaffung lokaler Grüninseln), Aufenthaltsnischen, die das Erleben der Atmosphäre und Kommunikation gewährleisten, schnelle Wegachsen, die rasches Queren erlauben und nicht zuletzt Fläche und Platz für ‚Alles Mögliche‘!

Kennen Sie aktuelle „good practice“ Beispiele, die hier als Vorbild für eine moderne und klimafreundliche Freiraumgestaltung dienen können?

Ein partizipativer Planungsansatz und der Mut zu visionären und stadtökologisch gedachten Lösungen stellen für mich die Ausgangsbasis dar. In Wien und international gibt es zahlreiche Beispiele, die bereits die Richtung zeigen (betreffend Regenwassermanagement, Impulse für Aneignung und Bespielbarkeit von Stadtraum, betreffend Integration eines Flusses ins Stadtgefüge). Genau hier kann man ansetzen, aus Beispielen lernen und für den ganz konkreten Ort ein starkes Konzept und individuelle Raumlösungen entwickeln.