© Lisa Rastl
Senior Scientist, Akademie der bildenden Künste
„Mit der vorgeschlagenen Überbauung wird ein vielseitig programmierbarer Freiraum kommerzialisiert und der öffentlichen Nutzung entzogen, das finde ich problematisch.“
Interview
Ich würde Sie bitten sich kurz vorzustellen.
Ich habe Architektur studiert und lehre an der Akademie der bildenden Künste Wien am Institut für Kunst und Architektur. Meine Forschungsschwerpunkte sind Stadtforschung und Architekturvermittlung mit Kindern und Jugendlichen. Der Naschmarkt ist mir vertraut, da ich jahrelang in unmittelbarer Nachbarschaft am Schillerplatz gearbeitet habe, bis die Akademie vor vier Jahren ins Ausweichquartier umgezogen ist. Leider hat der Naschmarkt seine spezielle Atmosphäre in den letzten Jahren verloren und sehr unter der Kommerzialisierung und dem Toursimus gelitten.
Wie sehen Sie die aktuellen Entwürfe einer Markthalle am Naschmarkt Parkplatz, aus Ihrer Fachperspektive?
Die bisher präsentierten Renderings der Halle zeigen Varianten von unspezifischen und unmaßstäblichen Dachkonstruktionen. Auch die verwendeten Begriffe sind schwammig. Einerseits wird von einem offenen und luftigen Dach gesprochen, andererseits wird der Bautyp Markthalle nach dem Vorbild des Londoner Borough Market genannt, also ein Gebäude, das abends geschlossen ist. Auch wenn ein internationaler Wettbewerb in Aussicht gestellt wird, finde ich problematisch, dass die Programmierung ohne nachvollziehbare Begründung schon so stark vorgegeben wird.
Ist die Markthalle eine klimafreundliche und moderne Lösung? / Wie schätzen Sie die Klimaverträglichkeit dieser Planung ein?
Eine große Glas-Stahl-Konstruktion mit Solar-Paneelen würde an diesem Ort noch mehr Reflektionsflächen schaffen und ein Gebäude würde die Durchlüftung blockieren. Damit bauliche Elemente und Bepflanzungen klimatisch wirksam sein können, müsste ihre Dimensionierung und Platzierung mit dem gegebenen Mikroklima abgestimmt werden.
Wie könnte eine andere Art der Nutzung und Gestaltung des Naschmarkt-Parkplatzes aussehen, welche die Lebensqualität der WienerInnen verbessert?
In Wien gibt es immer weniger konsumfreie und nicht programmierte Flächen. Das ist für einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen, Jugendliche und alte Menschen besonders problematisch – sie werden immer mehr verdrängt. An diesem Ort existiert ein Freiraum mit Fernblick, der für den Flohmarkt, das Kino am Naschmarkt, temporäre Rauminstallationen, spontane Partys oder Tangoabende genutzt werden kann, oder auch einfach zum Spazieren oder Verweilen. Dieser wichtige urbane Freiraum würde mit dem Bau einer Markthalle zerstört.
Zunächst sollte eine genaue klimatische Untersuchung des Ortes und eine Analyse der Sozial- und Freiräume im Umfeld gemacht werden. Ein offener partizipativer Prozess könnte dann helfen, verschiedene Interessen transparent zu verhandeln.
Denken, Sie dass die Schaffung einer Markthalle den Naschmarkt stärken kann?
Für mich macht eine Markthalle an diesem Ort wenig Sinn, weil es vorhandenes verdoppelt. Sinnvoller wäre es, die Probleme des Naschmarktes kritisch zu analysieren und ihn wieder attraktiv für Wiener_innen zu machen. Es müsste eine bessere Balance zwischen den Marktständen des Naschmarktes, dem Bauernmarkt, der Gastronomie und dem Tourismus gefunden werden.
Kennen Sie aktuelle „good practice“ Beispiele, die hier als Vorbild für eine moderne und klimafreundliche Freiraumgestaltung dienen können?
Kollektive Wunschproduktion von park-fiction.net
Wie stehen Sie als Wienerin zu dem aktuellen Entwurf?
Die jetzige Darstellung geht von der Überbauung von 5.000 von 12.000m2 Fläche aus. Somit würde vor allem ein bislang offenes und vielseitig programmierbares Gebiet zu einem sehr großen Teil kommerzialisiert und der öffentlichen Nutzung entzogen.