Adrienne Pötschner

© Adrienne Pötschner

Anrainerin

Es ließe sich hier ein wunderbares Naherholungsgebiet in der Stadt schaffen, das dem architektonischen Ambiente keine Konkurrenz macht sondern dieses und die Menschen, die hier Leben bereichert.

Interview

Ich würde Sie bitten sich kurz vorzustellen und Ihre Beziehung zum Naschmarkt zu beschreiben. 

Meine Name ist Adrienne Pötschner und ich wohne seit fast 30 Jahren im fünften Bezirk auf der Wienzeile. Der Naschmarkt begleitet mich deswegen schon mein ganzes Leben lang. Als Kleinkind ging ich mit meiner Mutter zum Einkaufen auf den Naschmarkt, später wurde ich zur leidenschaftlichen Flohmarktgeherin und heute liebe ich beides sehr. Der Bauernmarkt am Naschmarkt verführt jeden Samstag mit regionalen und biologischen Köstlichkeiten. Der Flohmarkt am Naschmarktparkplatz hat meine Leidenschaft für Secondhand-Ware und für Antiquitäten geweckt. Am Samstag laden die vielen unterschiedlichen Stände zum Stöbern und Verweilen ein. Am Sonntag zeichnet den Naschmarktparkplatz eine wunderschöne Weite aus, die ich als einzigartig empfinde. Es lässt sich hier wunderbar verweilen, sei es zum Crossboulespielen, zum Seilspringen oder nur um sich zu sonnen. Besonders diese Eigenschaft – der Platz und seine Großzügigkeit, die unterschiedlichste Aktivitäten erlaubt – hat in Zeiten von Corona inklusive Lockdowns maßgeblich an Bedeutung für mich gewonnen.

Wie stehen Sie zu der Idee der geplanten Markthalle am Naschmarkt Parkplatz?

Die Aufenthaltsqualität, die dieser Platz bietet, wurde vor allem in diesem Pandemiejahr deutlich. Etliche Menschen nutzen die Fläche um sich zu treffen und dort Zeit zu verbringen. Meiner Meinung nach braucht es keine Markthalle um diese Bedürfnisse zu stillen. Ganz im Gegenteil: das Coronajahr hat gezeigt, dass Parks mit ausreichend Sitzmöglichkeiten, Spielplätzen, Wasserspielen etc. die Stadt nicht nur ein bisschen lebendiger und klimafreundlicher machen als reine Betonflächen sondern auch jenen helfen, die sonst keine Ausweichmöglichkeiten (einen Garten oder Zweitwohnsitz) haben und in beengten Wohnverhältnissen leben. Diese Fläche hat somit auch einen sozialen Aspekt.

Die Schaffung einer Markthalle ist für mich auf mehreren Ebenen eine Themenverfehlung: Neben dem sozialen Aspekt, ist die Errichtung einer Markthalle neben einem bestehenden Markt keine sinnvolle Investition von Steuergeldern. Der Naschmarkt existiert und die Ressourcen für einen Markt sind somit da. Man müsste lediglich den Markt in seiner jetzigen Form überdenken (weniger Souvenirläden) und zeitgemäß umgestalten (dauerhafte Stände mit regionalen und biologischen Produkten). Die Errichtung einer Markthalle, die dem Naschmarkt direkte Konkurrenz macht und somit ohnehin von Corona strapazierte Existenzen bedroht, halte ich für verantwortungslos und für eine Fehlinvestition.
In Zeiten des Klimawandels ist es in meinen Augen nicht zeitgemäß eine Fläche in dieser Größe zu verbauen – und sei es mit einer „offenen“ Markthalle. Jedes Fleckchen Grün bedeutet in unserer urbanen Umgebung eine deutliche Steigerung der Lebensqualität für uns alle.

Was fehlt dem Naschmarkt Parkplatz aus ihrer Sicht?

Der Platz bietet aufgrund seiner Größe wunderbare Möglichkeiten seine Aufenthaltsqualität zu steigern. Was definitiv fehlt ist Begrünung, Wasser und vor allem Sitzmöglichkeiten: begrünte Pergolen mit Bänken und Tischen, Hochbette mit Blumen, flachwurzelnde Bäume, eine Boule-Bahn, Gymnastikgeräte (siehe Margaretengürtel) eine Grünfläche mit regelmäßigen Yogastunden unter freiem Himmel, ein Spielplatz….

Es ließe sich hier ein wunderbares Naherholungsgebiet in der Stadt schaffen, das dem architektonischen Ambiente keine Konkurrenz macht sondern dieses und die Menschen, die hier Leben bereichert.

Was wäre Ihnen bei einer Umgestaltung des Platzes wichtig?

Bei der Umgestaltung des Platzes ist mir wichtig, dass die Weite des Platzes erhalten bleibt und dass Anrainer*innen und Menschen, die den Platz bisher nutzen, befragt werden. Eine so tiefgreifende Veränderung verlangt nach einer demokratischen Vorgehensweise. Grünflächen und Sitzmöglichkeiten halte ich persönlich für eine große Bereicherung für Menschen, für den Platz selbst und seine Umgebung. Zudem wäre es mir wichtig, dass der Platz eine konsumfreie Zone bleibt – Ausnahme ist natürlich der Flohmarkt. Mit der Errichtung einer Markthalle assoziiere ich automatisch den Rathausplatz, der die meiste Zeit des Jahres gastronomisch bespielt wird. Dieser Assoziation stehe ich sehr ablehnend gegenüber. 

Was soll verändert werde und was soll erhalten bleiben?

Der Platz soll zu einem Familien- und Besucher*innenfreundlichen Ort umgestaltet werden. Das umfasst für mich ausreichend Sitz- bzw. Liegemöglichkeiten (in Form von Pritschen oder Liegewiesen), schattig (z.B. in Form von Pergolen, Büschen, Bäumen) und in der Sonne. So lässt sich der Flair dieses wunderbaren Ambientes gut erleben und der einmalige Blick auf die Wienzeile bleibt erhalten. Der Flohmarkt sollte ebenso weiterbestehen, denn er ist Teil dieses Ortes und ließe sich bestimmt bei der Konzeption einer Grünfläche berücksichtigen.